Sozial-ökologische Transformationen: Analysieren, gestalten und erproben!

Sozial-ökologische Transformationen sind Thema der kommenden Entwicklungstagung in Graz. Auch Christina Plank (Institut für Soziale Ökologie) plädiert dafür, soziale und ökologische Fragen gemeinsam zu betrachten und führt Beispiele Ihrer Forschung an, die Krisenerscheinungen analysieren, Transformationsprozesse beleuchten und gestaltbar machen sollen.

Ob Spekulation mit Nahrungsmitteln, Landgrabbing durch transnationale Konzerne oder Dürre und Überschwemmungen im Zuge des Klimawandels – die Dringlichkeit, sozial-ökologischen Problemen und Schieflagen entgegenzuwirken, ist unübersehbar. Das Erfordernis einer Transformation wird vielfach von Politik und Wissenschaft thematisiert. Denn vor dem Hintergrund der Vielfachkrise, die Klima, Care, Nahrungsmittel, Wirtschaft und den Finanzsektor betrifft, wird deutlich, dass ein ‚weiter wie bisher‘ nicht möglich ist.

Ökologische Konsequenzen nehmen spürbar zu und soziale Ungleichheit steigt. Das Adjektiv sozial-ökologisch weist darauf hin, dass die beiden Dimensionen des Ökologischen wie auch des Sozialen nicht unabhängig voneinander gedacht und behandelt werden können, um aktuelle Herausforderungen zu bearbeiten. Wie werden natürliche Ressourcen gerecht und fair genutzt und verteilt? Wer ist in welcher Form an diesen Prozessen beteiligt und kann wie mitbestimmen? Wie werden Produktions- und Lebensweisen gestaltet?

Um sich sozial-ökologischen Transformationen anzunähern und die bestehenden und zukünftigen Herausforderungen zu verstehen, ist es wichtig, eine Krisenanalyse vorzunehmen. Aber auch Utopien, Alltagserfahrungen und Konflikte sowie institutionelle Durchsetzung und Absicherung von erkämpften Errungenschaften müssen beleuchtet werden (siehe dazu das ksoe Dossier Sozial-ökologische Transformation). Wie können sozial-ökologische Transformationen bewirkt werden? Welche Widersprüche gilt es dabei zu bearbeiten? Wie sind Barrieren und mögliche Chancen zu verstehen? Dabei sind unterschiedliche räumliche Ebenen, wie globale, nationale und lokale Prozesse ineinander spielen, zu berücksichtigen. Folgende Beispiele aus dem Bereich Landwirtschaft und Ernährung sollen dies vor dem Hintergrund globaler Entwicklungen veranschaulichen.

Problemdynamiken global analysieren.

Der Ressourcenverbrauch ist in Nordamerika und Europa nach dem zweiten Weltkrieg enorm angestiegen. Dies wird als sogenannte „große Beschleunigung“ (engl. „great acceleration“) bezeichnet. Ein Blick auf aktuelle Entwicklungen verdeutlicht, dass der globale Ressourcenverbrauch weiterhin steigt und insbesondere in China seit Beginn der 2000er drastisch zunimmt. Die „imperiale Lebensweise“, die die Eliten aus dem Globalen Norden wie auch verstärkt aus den Schwellenländern führen und dadurch auf Kosten anderer und der Natur leben, breitet sich auf unserem Planeten aus. Damit verbunden nehmen auch Externalisierungsdynamiken zu. Rohstoffexport als Entwicklungsstrategie für Länder des Globalen Südens in Form von Extraktivismus wie zum Beispiel in Lateinamerika, aber auch in anderen osteuropäischen Ländern wie Russland oder der Ukraine intensiviert sich. Dabei entstehen Konflikte um natürliche Ressourcen, um die Kontrolle, Verfügbarkeit und Nutzung von Land.

Gesetzgebungsprozesse national gestalten.

In der Ukraine wird aktuell über die Aufhebung des Moratoriums, das den Kauf und Verkauf von Agrarland derzeit verbietet, diskutiert. Handelbare Eigentumsrechte sollen mittels ‚fairen Wettbewerbs‘ bestmöglichste Nutzung von Land bieten (siehe http://www.righttofoodandnutrition.org/files/watch_2015_article_13_eng_ukrainian_peasants_responses.pdf). Derzeit verfügen landwirtschaftliche Großbetriebe, sogenannte ‚Agroholdings‘, die großteils von ukrainischen Oligarchen dominiert werden, über einen großen Anteil der Fläche. Sie produzieren ‚cash crops‘ für den Weltmarkt und kontrollieren die Wertschöpfungskette vom Saatgut bis hin zum verarbeiteten Produkt. Kleinstrukturierte Betriebe versorgen indessen das Land mit Kartoffeln und Gemüse und stellen so die Versorgung mit Nahrung sicher. Es werden Hoffnungen im Land geschürt werden, dass durch eine Öffnung des Landmarktes, die u.a. von westlichen Akteuren vorangetrieben wird, mehr Transparenz und Handlungsspielraum für die EigentümerInnen bestehen würde. Auf letztere würde jedoch der Druck zunehmen und die Existenz der kleinstrukturierten Betriebe gefährden. Eine wichtige Frage, die hier zu stellen ist, lautet demnach, welche Art der Landwirtschaft – industriell oder bäuerlich – erwünscht wird? Und wie kann diese staatlich gefördert und institutionell abgesichert werden?

Alternativen lokal erproben.

Solidarische Landwirtschaft versucht auf lokaler Ebene eine Alternative zur industriellen Landwirtschaft zu bieten. In Österreich gibt es mittlerweile rund 30 dieser Initiativen im Bereich Ernährungssouveränität und Solidarische Ökonomie (siehe http://www.ernährungssouveränität.at/wiki/Solidarische_Landwirtschaft). Die Grundidee der solidarischen Landwirtschaft ist die Risikoteilung im Produktionsprozess der Produzierenden mit den Konsumierenden, den sogenannten ‚ErnteteilerInnen‘. Durch die gemeinsame Vorfinanzierung der Produktion und das im Idealfall gemeinschaftliche Tragen von Ernteausfällen wird Verantwortung geteilt und kleinstrukturierte, bäuerliche und biologische Landwirtschaft ermöglicht. Darüber hinaus soll es zu einer Umgestaltung des Verhältnisses zwischen Produzierenden und Konsumierenden kommen. Durch die räumliche Nähe, das einander Kennen und Vertrauen und gelebte Solidarität innerhalb wie auch zwischen den einzelnen Initiativen werden neue, nachhaltige Produktions- und Lebensweisen erprobt. Die solidarische Landwirtschaft stellt somit ein Lern- und Experimentierfeldfür sozial-ökologische Transformationen dar.

 

Christina Plank ist Post-Doc am Institut für Soziale Ökologie der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Reaktionen bitte an redaktion@pfz.at

 



Christina Plank wird bei der 7.  Entwicklungstagung 2017 folgenden Workshop anbieten:

Workshop 9: Fairness und Gerechtigkeit in der internationalen Ressourcenpolitik.

Uhrzeit: 14:30 – 16:30 Uhr

Workshop mit:

Netzwerk Globale Ressourcen-Fairness:

•    Christina Plank (Institut für Soziale Ökologie der Alpen-Adria-Universität  Klagenfurt),

•    Fernando Ruiz Peyré (Universität Innsbruck).

Mehr Infos: https://www.pfz.at/article1925.htm

 


 

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