Filmstill Seeds of Profit © PremièresLignesTélévision.

Filmrezension: Seeds of profit.

Der französische Dokumentarfilm „Seeds of profit“ (2019) zeigt, wie wenige multinationale Konzerne den Markt von Gemüse- und Obstsamen mit neuen Sorten dominieren. Die „Globalisierung der Samen“ gefährdet kleine Betriebe, die sich die teuren Samen nicht leisten können und trägt zur globalen Ungleichheit bei.

Profitable Hybridsorten: Länger haltbar, aber weniger Nährstoffe.

Wieso hat eine Tomate aus dem Supermarkt heute nur mehr einen Bruchteil der Nährstoffe die sie vor 60 Jahren hatte? Mit dieser Frage beginnt „Seeds of profit“ (dt. „Saatgut des Profits“). Schuld an dem Rückgang einer Vielzahl an Vitaminen, Kalzium und Eisen sind neue Hybridsamen. Diese Samen sollen Eigenschaften aus zwei unterschiedlichen Sorten vereinen – und damit letztendlich auch durch längere Haltbarkeit und höhere Belastbarkeit Gewinne steigern. Die „Eternal Tomato“ (dt. „Ewige Tomate“) kann 24 Tage auf einem Supermarktregal liegen, ohne sich dabei zu verändern. Samenfirmen wie der französische Konzern Limagrain können diese neuen Samenarten um Summen verkaufen, die den Preis von Gold übersteigen: 400.000 Euro verlangen sie für ein Kilo Samen der besonders wertvollen gelben „Eternal Tomatoes“. Viele Gemüse- und Obstproduzent*innen profitieren von diesen neuen Sorten, da sie ihr Produkt in der ganzen Welt verkaufen können, ohne dabei auf möglichst kurze Lieferwege achten zu müssen. Den Preis zahlen die Konsument*innen – Geschmack und Nährstoffe des Gemüses sind keine Priorität der Samenfirmen.

„Samen ohne Grenzen“: Bewahren und Verbreiten alter Sorten.

Aber nicht alle Produzent*innen von Gemüse und Obst profitieren von den neuen Hybridsorten. Der Film zeigt, dass vor allem kleinere Bauernhöfe in dem globalisierten Gemüse- und Obstmarkt unter Druck geraten. Große landwirtschaftliche Betriebe kaufen Samen in riesigen Mengen, oft in Kombination mit Pestiziden, die ebenfalls von den großen Saatgutkonzernen angeboten werden. Der Gemüsebauer Jean-Luc Brault produziert das Saatgut für seinen Anbau noch selbst, betont aber, dass diese Praktik „fast schon unorthodox“ für Landwirte geworden sei. In einem Interview erklärt Olivier de Schutter, früherer UN-Berichterstatter für das Recht auf Nahrung, dass die Monopolstellung der großen Saatgutunternehmen dazu führen werde, dass „Landwirtschaft für kleine Bauernhöfe in Entwicklungsländern nicht länger tragfähig sein wird.“ Die bedrohte Existenz von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben und die Monopolstellung der großen Konzerne tragen dazu bei, dass viele alte Gemüse- und Obstsorten nicht mehr produziert werden und aussterben. Der Film zeigt aber auch Menschen, die sich gegen diese Entwicklung wehren: Die französische Organisation Kokopelli stellt sich gegen die großen Saatgutkonzerne und sammelt alte Pflanzensamen, die sie im Projekt „Saatgut ohne Grenzen“ Landwirt*innen im globalen Süden zur Verfügung stellen. Gegen die Macht der fünf größten Saatgutkonzerne Bayer/Monsanto, Dupont, Syngenta, BSF und Limgrain anzukommen, ist aber praktisch unmöglich.

Ausbeutung in der Saatgutproduktion im globalen Süden.

Neben den Auswirkungen auf die Natur und in der Landwirtschaft, beleuchtet der Film auch die sozialen Probleme die die „Saatgut-Globalisierung“ mit sich bringt. Große Konzerne wie Limagrain produzieren ihre Samen in Ländern des globalen Südens, in denen Arbeitskräfte billig und Richtlinien niedrig sind. In Indien wird ein Großteil der Samen von Subunternehmen für die Konzerne produziert. Vor allem Kinder und Frauen werden für die Feldarbeit angestellt, da sie den geringsten Lohn verlangen. Zwischen 0,50 und 2,80 US Dollar pro Tag werden den Arbeiter*innen gezahlt. Dies entspricht nicht einmal dem indischen Mindestlohn. Auf Vorwürfe der Kinderarbeit antworten die Konzerne mit Phrasen über soziale Verantwortung, Mindestanforderung und Zero-Tolerance (dt. Null Toleranz) gegenüber Ausbeutung und Kinderarbeit. Oft wird die Verantwortung den Subunternehmen in Indien gegeben, die allerdings selbst nur sehr wenig für die produzierten Samen von den Konzernen bekommen. Durch diese globale Produktionskette ist es den Konzernen möglich, einerseits extrem hohe Gewinnspannen zu erreichen und andererseits die Verantwortung über Arbeitsbedingungen und Bezahlung der Arbeiter*innen von sich zu weisen.

Investigative Herangehensweise und komplexe Zusammenhänge.

Die Regisseurin Linda Bendali führt durch den Film und tritt als investigative Journalistin mit Sinn für Humor auf. Für den Film reist sie nach Israel um sich die „Eternal Tomato“ anzusehen. Mit versteckter Kamera besucht sie indische Subunternehmen des Saatgutkonzerns Limagrain und interviewt einen Bauern in Frankreich, der gegen die Monokulturen der Konzerne rebelliert. Durch aufwendige Schnitte, kreativ gestaltete Interviewsituationen und lebhafte Musik zieht der Film die Zuseher*innen in seinen Bann. Komplexe Sachverhalte werden durch Illustrationen und kleine Experimente einfach erklärt.

Zugang zu Saatgut demokratisieren.

„Seeds of profit“ vertritt eine klare Stellung. Der Film will aufzeigen, welche Schäden für Natur und Gesellschaft durch die Monopolstellung weniger Saatgutkonzerne und der Produktion von neuen Hybridsorten entstehen. Trotz der klaren Botschaft berichtet der Dokumentarfilm nicht einseitig über das Thema. Durch die zahlreichen Interviews mit Wissenschaftler*innen, Vertreter*innen von Konzernen, Landwirt*innen und Aktivist*innen und der ausführlichen Recherche können sich Zuseher*innen selbst ein Bild der Thematik machen. Der Ende des Films beinhaltet aber trotzdem einen Apell: Samen sind die Grundlage unserer Nahrungsmittel, damit auch Grundlage der Menschheit. Deswegen gilt es, diese allen zur Verfügung zu stellen und nicht der Kontrolle einzelner Konzerne zu überlassen.

Die Autorin ist Praktikantin im Paulo Freire Zentrum. Reaktionen bitte an redaktion@pfz.at.

Weiterführende Links:

Kokopelli, Samen ohne Grenzen

UNO zum Recht auf Nahrung

Filmtage Hunger.Macht.Profite

Foto: Filmstill Seeds of Profit © PremièresLignesTélévision.

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Vom 4. April bis zum 2. Mai 2020 findet die 10. Ausgabe von Hunger.Macht.Profite. online statt. Filme in Video on Demand via www.HungerMachtProfite.at/goesonline in Zusammenarbeit mit FilmefürdieErde.org

Das Filmgespräch über „Seeds of Profit“ wird am 23. April 2020 mit Katherine Dolan, Arche Noah Saatgutpolitik, Katalin Erdodi von der Sezonieri Kampagne und Tina Wirnsberger, FIAN Österreich abgehalten.

Veröffentlicht in Sozial-ökologische Transformationen, Themen, Filmrezensionen.