Foto Filmstill Seeds of Profits © PremièresLignesTélévision

Interview: Das Geschäft mit dem Hunger.

Vom 4. April bis zum 2. Mai 2020 finden die 10. Filmtage zum Recht auf Nahrung „Hunger. Macht. Profite“ online statt. Jutta Bichl hat mit Andreea Zelinka, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Filmtage beim FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk (FIAN), über Inhalt und Ziele der Filmtage gesprochen.

Der Titel zu den Filmtagen zum Recht auf Nahrung lautet „Hunger. Macht. Profite“. Wie wird aus Hunger Profit geschlagen?

Hunger, Macht und Profite sind eng miteinander verstrickt, denn die Ernährung der Weltgemeinschaft wird nicht durch nationale Regierungen und internationale Abkommen gesichert, sondern durch das globalisierte Finanzkapital bestimmt. Längst handelt es sich um einen umkämpften Markt bei dem Großkonzerne die bestimmenden Entscheidungsinstanzen sind und damit demokratische Prozesse und internationale Institutionen kapern.

Mit Hunger wird Profit gemacht, wenn an der Börse mit Grundnahrungsmitteln spekuliert wird. Das treibt die Preise in die Höhe und schließt weniger finanzstarke Akteur*innen zunehmend vom Markt aus. Wir haben ausreichend landwirtschaftliche Kapazitäten, um alle Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen. Dass dies nicht gelingt, liegt daran, dass Ressourcen und Macht ungleich verteilt sind.

Welche Rolle spielt dabei die Klimakatastrophe?

UN-Schätzungen zufolge werden bis 2080 rund 600 Millionen Menschen allein aufgrund der Folgen der Klimakatastrophe an Hunger leiden. Besonders betroffen sind Menschen in den Regionen um den Äquator, Indigene, Kleinbäuer*innen, Frauen, Kinder und alle noch ungeborenen Generationen – allesamt Menschen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen. Die Klimakatastrophe verändert die Natur und damit den Boden, der beackert wird. Im Globalen Süden sind die Folgen bereits verheerend. Ernten bleiben aus und auch die Verfügbarkeit von Trinkwasser nimmt ab.

Die Klimakatastrophe wird durch den Ausstoß von Treibhausgasen verursacht. Insbesondere die Landwirtschaft, die agroindustriell strukturiert ist, hat einen großen Anteil daran. Um dem entgegenzuwirken, wäre es essenziell, Biodiversität zu fördern, um die Ackerböden zu pflegen und das Mikroklima zu schützen – eine wichtige Aufgabe, die Kleinbäuer*innen weltweit übernehmen. Solange man sie lässt. Eine diversifizierte, agrarökologische Landwirtschaft, die ressourcenschonend ist, lokale biologische Vielfalt fördert und Machtverhältnisse demokratisiert, ist die Antwort für die Herausforderungen unserer Zeit.

Welche Ziele verfolgt FIAN mit den Filmtagen?

Die Filmtage zum Recht auf Nahrung wollen Zusammenhänge zwischen unserem individuellen Lebensstil und dem weltweiten strukturellen Hunger aufzeigen. Mit unserer Filmauswahl machen wir Angriffe auf Arbeiter*innen- und Landrechte, die Verdrängung von kleinbäuerlichen Strukturen und traditionellen Lebens- und Ernährungsweisen, sowie die weltweite Konzentration der Ressourcen durch die industrielle Landwirtschaft und den profitorientierten Handel mit Grundnahrungsmitteln sichtbar. Wir zeigen die Menschen, die am meisten von der derzeitigen Vormachtstellung der industriellen Lebensmittelproduktion betroffen sind. Aber wir erzählen auch die Geschichten des Widerstands, der Aktivist*innen und Kleinbäuer*innen, die sich gegen Agrobusiness zur Wehr setzen, sich organisieren und ihr Recht auf Nahrung einfordern – oftmals mit Erfolg!

Im Anschluss an die Filme gibt es Filmgespräche mit Aktivist*innen und Expert*innen. Uns ist es wichtig, aufzuzeigen, inwiefern auch wir in Europa von den Nachteilen der industriellen Landwirtschaft betroffen sind. Doch die Besucher*innen der Filmtage sollen keinesfalls mit einem Ohnmachtsgefühl nach Hause gehen. Wir suchen aktiv den Austausch und Dialog mit dem Publikum und sprechen gemeinsam darüber, was jede Person tun kann, auf individueller Ebene wie auch im Kollektiv. Es ist wichtig, uns daran zu erinnern, dass wir nicht bloß Konsument*innen, sondern Bürger*innen sind, die aktiv mitgestalten können.

Wie wählen Sie die Filme aus?

Wir zeigen Filme mit erzählerischer Qualität. Wenn ich mit den Protagonist*innen mitfühle, kann ein Moment der Solidarisierung entstehen. Außerdem ist die Recherchequalität der Filme ausschlaggebend. Aufgrund unserer Arbeit bei FIAN Österreich, ÖBV-Via Campesina, normale.at und AgrarAttac, können wir einschätzen, ob ein Thema gut aufgearbeitet worden ist oder nicht. Im Vordergrund steht, die Realität der Betroffenen zu zeigen, sowie die nachvollziehbare Darstellung von Fakten und das Sichtbarmachen von komplexen Zusammenhängen zwischen lokalen Realitäten und internationaler Politik. Dabei ist uns wichtig, dass Menschen aus dem globalen Süden selbst zu Wort kommen, um die Hegemonie des paternalistischen europäischen Blicks ein Stück weit zu brechen.

Welcher Film hat Sie dieses Jahr besonders beeindruckt?

Ich finde natürlich alle Filme und ihre verschiedenen Themen spannend! Aber ein Film, der mich heuer besonders zum Nachdenken angeregt hat, ist „Seeds of Profit“. Im Film wird aufgedeckt, dass sich die standardisierte Obst- und Gemüseproduktion und die Herstellung von Hybrid-Samen negativ auf den Nährstoffgehalt der Lebensmittel auswirkt. Das heißt, unser Obst und Gemüse hat bis zu 50 Prozent weniger Nährstoffe, als noch vor ein paar Jahrzehnten. Mir hat der Film bewusst gemacht, dass wir die Lebensmittel, die wir im Supermarkt kaufen, oft nach falschen Kriterien bewerten: wenn eine Tomate nach nichts schmeckt, denke ich, sie muss wenig Sonne abgekriegt haben. Als einfache Konsument*in denke ich nicht daran, dass der Grund hierfür an der industriellen Herstellung des Saatguts liegt. Sich dessen bewusst zu werden, finde ich für eine selbstbestimmte und aufgeklärte Ernährung enorm wichtig.

Die Autorin ist Mitglied im Online-Redaktionsteam. Reaktionen bitte an redaktion@pfz.at

Weiterführende Links:

Hunger.Macht.Profite
FIAN
Seeds of Profit Trailer

Foto: Filmstill Seeds of Profit © PremièresLignesTélévision.

Vom 4. April bis zum 2. Mai 2020 findet die 10. Ausgabe von Hunger.Macht.Profite. online statt. Filme in Video on Demand via www.HungerMachtProfite.at/goesonline in Zusammenarbeit mit FilmefürdieErde.org

Veröffentlicht in Globale Ungleichheiten, Themen.