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CO2-Steuern gegen Ungleichheit?

Wohlhabende Bevölkerungsgruppen haben einen großen Teil der Klimakrise verursacht. Weniger Privilegierte tragen oft die Folgen. Es muss etwas passieren. In diesem Punkt sind sich alle Vortragenden einig. Können Steuern ‚ökologischer Ungleichheit‘ entgegenwirken?

Anke Schaffartzik (Universität für Bodenkultur, Wien) fordert einen radikalen Bruch mit unserem Wirtschaftssystem. Karlygash Kuralbayeva (King’s College, London) hingegen präsentierte Strategien für einen geregelten Übergang. Das Panel mit dem Titel Fair climate fand am 20. November 2019 in der Aula am Campus statt und wurde von Martina Neuwirth vom Wiener Institut für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit (VIDC) moderiert.

Ökologische Ungleichheit – ein Symptom der Wachstumswirtschaft.

Anke Schaffartzik zeigt, dass unsere Wirtschaft derzeit auf konstantem Wachstum basiert. Dieses geht einher mit dem zunehmenden Abbau von Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas, Metallen, Mineralien, Agrar-Produkten und Holz. Werden fossile Energieträger (Kohle, Erdöl und Erdgas) verbrannt, wird die Luft mit Schadstoffen belastet – in einem Ausmaß, das von den globalen Ökosystemen nicht mehr aufgefangen werden kann.
Ökologische Ungleichheit besteht laut Schaffartzik sowohl auf globaler als auch auf nationaler Ebene. Der moderne Lebensstil setzt ein hohes Niveau an Energie- und Rohstoffverbrauch voraus. Weniger wohlhabende Menschen bekommen die Folgen dieses gesteigerten Energieverbrauches zu spüren. Viele leben in direkter Abhängigkeit von der Funktion natürlicher Ökosysteme. Von den Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf Erntezyklen sind sie unmittelbar betroffen. Nicht alle können es sich leisten, sich mit einer Klimaanlage gegen die Hitze in Städten zu schützen. Ebenso sind Küstengebiete in reichen Ländern deutlich besser gegen den Anstieg des Meeresspiegels gerüstet.

Abrupter Systemwandel würde wirtschaftliche Notlage verursachen.

Karlygash Kuralbayeva ist in Kasachstan geboren, einem Land das nach der Bruttonationaleinkommenskategorisierung der Weltbank als Wirtschaft „mittleren Einkommens im unteren Bereich“ gilt. Kasachstan hängt stark von der Förderung fossiler Brennstoffe ab. Der Export von Erdöl macht 65 Prozent der nationalen Einnahmen aus. Die restlichen 35 Prozent setzten sich aus dem Verkauf von Kohle, Erdgas und Mineralien zusammen. Die Forderungen der internationalen Staatengemeinschaft, Energiegewinnung durch fossile Brennstoffe wegen der Klimakrise einzustellen, bedeuten für das Land massive wirtschaftliche Probleme. Es entsteht ein Dilemma:
Wie ist es für Länder wie Kasachstan möglich, einen wirtschaftlichen Aufschwung zu gewährleisten und gleichzeitig die Förderung fossiler Brennstoffe zu verringern? Wie könnte ein schrittweiser Übergang aussehen? Und welche Strategien braucht es, um den Wechsel zu erneuerbaren Energien zu ermöglichen?

Ökosteuern als Schlüsselstrategie, um Klimaziele zu erreichen.

CO2-Steuern sind für Kuralbayeva ein Muss wenn die Klimaerwärmung gestoppt werden soll. Sowohl individuelle Konsument*innen als auch Industrien sollen ab sofort beim Verbrauch fossiler Brennstoffe draufzahlen. Ökosteuern könnten einen Zusammenbruch der Wirtschaft verhindern, der bei einem abrupten Ausfall der Einnahmen durch Rohstoffexporte drohe. Das derzeitige Niveau der Besteuerung sei jedoch bei weitem nicht ausreichend. Global bleiben 85 Prozent der Umweltverschmutzung durch Kohlendioxid unversteuert. Im Fall von Kasachstan müsse eine CO2-Steuer vorerst so angepasst werden, dass der Erdölsektor weiterhin Gewinn macht. Andernfalls würden laut Kuralbayeva 15 Millionen Menschen verhungern.

Steuereinnahmen umverteilen.

Ein großer Teil der Zivilbevölkerung wehrt sich gegen die geplante Besteuerung. Wie können die Maßnahmen für Verbraucher*innen attraktiv gemacht werden? Kuralbayeva schlägt vor, die CO2-Steuer mit politischen Strategien zu ergänzen. Mit erzielten Einnahmen können Forschung und Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien gefördert werden.

Die „Klimadividende“ erlaubt es, finanzielle Mittel gleichmäßiger in der Gesellschaft zu verteilen.
Das Vorgehen kann durch ein Gedankenexperiment veranschaulicht werden: Nehmen wir an, ein wohlhabender Haushalt verbraucht doppelt so viel Energie wie ein Haushalt mit niedrigem Einkommen. Folglich bezahlt der reiche Haushalt 100€ Steuern und der ärmere Haushalt 50€. Dadurch entstehen für den Staat Einnahmen in der Höhe von 150€. Im Folgemonat werden an jeden Haushalt Zahlungen geleistet, die sich nach einem Durchschnittswert richten d.h. beide Haushalte bekommen eine Rückzahlung von 75€. Während der Haushalt mit geringerem Einkommen unter dem Strich 25€ dazubekommt, verliert der wohlhabendere Haushalt den gleichen Betrag.
Für die sogenannte „pro Kopf Auszahlung“ gibt es bereits positive Beispiele: In der Schweiz etwa werden Steuern auf verheizte Brennstoffe von den Abgaben für die gesetzliche Krankenkasse abgezogen. Die Umverteilung wird von den Bürger*innen willkommen geheißen.

More of the same zur Lösung der Klimakrise?

Nach der Diskussion am Podium regten sich im Publikum Zweifel. Wie kann dasselbe System, das ökonomische und ökologische Ungleichheit hervorgebracht hat, diese nun beseitigen? Anke Schaffartzik bestätigt den Widerspruch und plädiert für eine radikale Wachstumsrücknahme. Nur so könnten Klimawandel und ökologische Ungleichheit effektiv und nachhaltig bekämpft werden. Wir müssten uns mit dem Gedanken anfreunden, dass es ungemütlich wird. Finanziell privilegierte Schichten werden draufzahlen müssen, um einen Ausstieg aus der Erdölindustrie und eine Umverteilung zu ermöglichen. Nur so kann verhindert werden, dass jene, die nur zu einem geringen Teil für den Klimawandel verantwortlich sind, weiterhin hauptsächlich dessen Folgen tragen.

Die Autorin ist Praktikantin im Paulo Freire Zentrum. Reaktionen bitte an redaktion@pfz.at.

Fotos: © Monika Austaller, Paulo Freire Zentrum.

Weiterführende Links:

Universität für Bodenkultur, Institut für soziale Ökologie, Wien
King´s College London, Department for Political Economy
Buch „Globale Ungleichheit“ Mattersburger Kreis, Madelbaum Verlag

Die Veranstaltung wurde finanziert von:

Veröffentlicht in Globale Ungleichheiten, Sozial-ökologische Transformationen, Gutes Leben für Alle, Themen, Entwicklungstagung 2020.