Forum 3: Agrotreibstoffe

Das Forum zum Thema Agrotreibstoffe, moderiert von Markus Piringer (ÖKOBÜRO), sprach nicht nur Widersprüche wie Erneuerbare Energien vs. Biodiversität oder Energie vs. Nahrungsmärkte an. Es wurden auch Alternativen vorgestellt.Vom Acker in den Tank: der Murecker Energiekreislauf

Wir befinden uns im Jahr 2008. Die ganze Welt ist von fossiler Energie abhängig. Die ganze Welt? Nein! Ein steirischer Ort hat eine Alternative gefunden: Mureck. Entstanden ist das Projekt Mureck 1985 als eine Biertischidee von einigen Bauern, darunter Karl Totter. Ihre Idee war, die Energie, die sie verbrauchen, selbst herzustellen. Mittlerweile ist diese Idee zu einer regionalen Kreislaufwirtschaft avanciert. Nach dem Motto vom Acker in den Tank entstanden in Mureck eine Biodieselanlage, ein Biomasseheizwerk und eine Biogas-Ökostromanlage mit dem Ziel der 100%igen Selbstversorgung der Region. Etwa 500 Landwirte sind Teil des Projekts, bauen Raps an und sammeln Altspeiseöl. Dies wird an die SEEG (Südsteirische Energie- und Eiweiserzeugung) geliefert, die daraus Biodiesel herstellt und wieder an die Bauern und Bäuerinnen weitergibt. So entsteht ein regionaler Kreislauf, in dem sich die Bauern und Bäuerinnen selbst mit Biotreibstoff versorgen. Dass die Produktion von Agrotreibstoffen für die Erhöhung der Lebensmittelpreise verantwortlich sei, sei schlichtweg falsch, so Totter. Gestiegen seien nämlich nur die Preise der Lebensmittel und nicht der Getreidepreis: die KonsumentInnen bezahlen zwar mehr, die Bauern und Bäuerinnen bekommen jedoch gleich wenig. Das Problem sehe er darin, dass die Rohstoffe um die halbe Welt gekarrt werden. Durch eine Energieerzeugung mit Rohstoffen aus der Region hingegen, werde die Umwelt konkret geschont, wie das Beispiel Mureck mit seinen 45.000t CO2-Einsparungen pro Jahr zeige.

Diese, bei Diskussionen um Agrotreibstoffe, sonst so ungewohnt klar formulierten Aussagen bewirkten bei den ForumteilnehmerInnen Erstaunen und Skepsis bezüglich eventuell doch vorhandener Nachteile.

Jatropha: die Entwicklung einer Energiepflanze

Zweiter Vortrag: anderes Land, gleiches Thema. In der Provinz Sofala, Mosambik, wird die Energiepflanze Jatropha curcas  kultiviert. Alexander von Gablenz stellte eine Entwicklungspartnerschaft zwischen ADA und Elaion AG vor.

Jatropha besteht zu 30-35% aus Öl und könnte somit als Agrotreibstoff angebaut werden. Sie ist deshalb interessant, weil sie für den Menschen ungenießbar ist und so die Nahrungsmittelpreise nicht beeinflusst. Ziel des Projekts ist es, noch unerforschte Möglichkeiten der Energiegewinnung aus Jatropha zu fördern. Das daraus gewonnene Öl könnte als Brenn- und Kraftstoff, für technische Schmierstoffe oder als Seife verwendet werden. Wichtig für eine gute Kooperation mit den Bauern und Bäuerinnen seien Abnahmegarantien für Jatropha und andere angebaute Pflanzen. Nur so seien diese bereit, das Projekt mit zu tragen. Doch auch die Brennstoffversorgung der Region selbst soll in das Projekt mit einfließen. Verglichen mit dem ersten Vortrag, sei der Anreiz für die Bevölkerung aber nicht die regionale Verankerung, sondern die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Da das Projekt aber noch in den Windeln steckt, reagierten die TeilnehmerInnen mit grundlegenden Fragen zur Finanzierung und Gesundheit der Bauern und Bäuerinnen. Heraus zu hören war ebenso eine skeptische Haltung in Bezug auf das Gelingen des Projektes.

Zur Goldgräberstimmung in Brasilien

Der Vortrag von Johann Kandler (Klimabündnis) über die ökologischen Folgen der Agrotreibstoffproduktion in Brasilien führte das Thema weg von praktischen Beispielen hin zu einer ökopolitischen Analyse des Agrotreibstoffproblems. Infolge der Ölkrise in den 1970er Jahren initiierte die damalige Regierung das Projekt PROALCOOL mit dem Ziel, Benzin durch Ethanol aus Zuckerrohr zu ersetzen. Mit dem Fall der Rohstoffpreise endete die Agrospritproduktion, erfährt aber nun wieder neuen Aufschwung. Euphorisch investieren in- und ausländische Investoren in den boomenden Sektor der Biotreibstoffe. Doch wirklich glücklich mit diesen ökonomischen und politischen Entwicklungen seien, wie so oft, nur wenige. Die momentane Situation in Brasiliens Landwirtschaft beschrieb Kandler mit den Schlagworten: ungerechte Landverteilung, Monokultur und Sklavenarbeit. Grundbesitz sei ein wichtiger Machtfaktor, der vor allem die brasilianische Politik beeinflusse, von dieser aber ignoriert werde. Dies sei insofern verständlich, da der Großteil der Regierungsmitglieder selbst Grundbesitzer seien. Soziale und ökologische Probleme, wie der Einsatz von Pestiziden, das Abbrennen von Plantagen vor der Ernte oder ein hoher Wasserverbrauch, prägen den landwirtschaftlichen Sektor. Die von der Regierung vertretene Meinung, Agrosprit verdränge Nahrungsmittel nicht, konnte Kandler für Brasilien nicht bestätigen.

Weil die Zeit knapp war, schloss Markus Wissen (Universität Wien) seinen Vortrag gleich an und analysierte die globale politische Ökonomie der Agrotreibstoffe. Er zog einen theoretischen Bogen um die bisherigen Vorträge und fasste zusammen: Die Bereiche Energie, Klima und Ernährung entwickeln sich seit einiger Zeit krisenhaft. Für Wissen führt dies zu drei Widersprüchen: Erstens verteuert die Bekämpfung der Energiekrise mittels Agrotreibstoffen die Lebensmittelpreise zu 65-75% (laut Weltbank). Zweitens wertet sie die industrielle Landwirtschaft auf, was paradox ist, weil diese selbst sehr energieintensiv ist. Und drittens verschärft sie den Klimawandel, statt ihn abzumildern (Emissionen bei der Produktion sind größer als Reduktion durch Agrotreibstoffe). Das Agrofuels-Projekt sei nur ein Versuch die ökologische Krise zu lösen, ohne die eigentlichen Problemkerne Produktions-, Konsum- und Mobilitätsmuster   anzutasten.

Diskussionsrunde

In der anschließenden Diskussion wurde über Leitlinien für einen integrierten umwelt- und entwicklungspolitischen Ansatz im Bereich der Agrotreibstoffe diskutiert. Einig waren sich alle DiskutantInnen, dass die derzeitige europäische Agrotreibstoff-Politik weder umweltpolitisch noch entwicklungspolitisch in die richtige Richtung weist. Das deshalb, weil durch die Agrotreibstoff-Beimischung die Einspeisung regionaler landwirtschaftlicher Produkte in die globalen Energie-Märkte gefördert wird. So wird agroindustriellen Produktionsweisen mit allen ihren negativen Konsequenzen Vorschub geleistet, das eigentliche Problem ein nicht nachhaltiges Mobilitätsverhalten aber nicht gelöst.

Agrotreibstoffe können andererseits als ein Aspekt der Stärkung regionaler Energiekreisläufe und regionaler Selbstbestimmung durchaus Sinn machen. Kontroversen gab es hinsichtlich der Frage, wie der Begriff „Region“ verstanden werden kann oder soll. Kontrovers diskutiert wurden auch die Möglichkeiten und Grenzen der Zertifizierung. Sie kann jedenfalls nicht als „Allheilmittel“ für eine nachhaltige Produktion von Agrotreibstoffen gesehen werden.

Nadine Mittempergher studiert Internationale Entwicklung und ist ehemalige Praktikantin des Paulo Freire Zentrums.

Veröffentlicht in Entwicklungspolitik.