Endlich Wachstum! Eine Ausstellung zu Besuch in Wien.

„Immer mehr!“ scheint der Leitspruch kapitalistischer Industriegesellschaften zu sein. Doch wie lange ist das möglich, für uns und den Planeten? Die Wanderausstellung „Endlich Wachstum!“ nimmt sich dieser Frage an und setzt sich mit Wirtschaftswachstum, dessen Grenzen und Alternativen auseinander.

Von 4. bis 24. Februar 2019 war die Wanderausstellung „Endlich Wachstum!“ des Berliner Kollektivs FairBindung e.V. im Albert Schweitzer Haus in Wien zu Gast. Die interaktive Ausstellung war in ein Rahmenprogramm aus Filmvorstellungen, Vorträgen und Diskussionen sowie Theateraufführungen eingebettet. Organisiert wurde sie von der Bildungsgruppe der sozialen Bewegung „System Change, not Climate Change!“ in Kooperation mit Periskop – Wandel braucht neue Perspektiven, Attac Österreich, Dreikönigsaktion der katholischen Jungschar, FairBindung e.V., Albert Schweitzer Haus Wien, C3-Centrum für internationale Entwicklung, Paulo Freire Zentrum, ÖFSE – Österreichisches Forschungsinstitut für internationale Entwicklung, Mattersburger Kreis für Entwicklungspolitik, Frauensolidarität und Theater der Unterdrückten Wien. Medienpartner waren der Augustin und Radio Orange.

Die Ausstellung selbst besteht aus vier Modulen, wobei im ersten geklärt wird, was Wirtschaftswachstum eigentlich ist. Das zweite Modul klärt über soziale und ökologische Grenzen dieser Form des Wachstums auf, während das dritte Modul den Ursachen nachgeht. Im vierten Modul werden mögliche Alternativen aufgezeigt.

Wirtschaftswachstum – was ist das eigentlich?
Wird im Allgemeinen von Wirtschaftswachstum gesprochen, so ist eine Steigerung des Bruttoinlandproduktes gemeint. Wirtschaft und Politik versprechen damit einhergehend Wohlstand, Sicherheit und ein gutes Leben, ganz nach dem Motto „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“. Die Ausstellung zeigt jedoch, dass Wirtschaftswachstum keine Zauberformel zur Lösung aller Probleme ist. Ganz im Gegenteil, viele Probleme werden durch ständigen Wachstumsdruck erst geschaffen. Ist Wachstum in der Natur begrenzt, so herrscht in der Wirtschaft ein scheinbar endloser Wachstumsimperativ. Umsatz, Beschäftigung und Produktion, solle immer weiter steigen.. So werden aber immer mehr natürliche Ressourcen verbraucht, Klimagase ausgestoßen und Menschen aus ihren Heimatregionen vertrieben.

Die Illusion vom grenzenlosen Wachstum. 
„Insbesondere der fortschreitende Klimawandel hält es uns vor Augen: „Wachstum stößt an Grenzen“, heißt es auf einem Exponat der Ausstellung. Die vorherrschende Art zu wirtschaften, zu produzieren und zu konsumieren kann nicht ewig so weiter geführt werden. Auf ökologischer Ebene zeigt sich das bei der Endlichkeit von Materialen, die zur Herstellung von Waren benötigt werden, wie etwa Erdöl oder Edelmetalle und die begrenzten Senken der Erde, die Treibhausgase und Abfall aufnehmen. Im sozialen Bereich werden menschliche Arbeitskräfte durch Maschinen ersetzt oder die Produktion in Billiglohnländer ausgelagert, wo Produkte von Arbeiter*innen in prekären Arbeitsverhältnissen hergestellt werden. Doch Grenzen des Wachstums zeigen sich auch in der Ökonomie selbst: Die Nachfrage nach neuen Produkte sei, trotz Investition in Werbung, eben auch nicht unendlich.

Wachstumszwänge nicht nur in der Wirtschaft. 
Die Wurzeln des heutigen auf Wachstum basierenden Wirtschaftssystems sind im globalen Kolonialsystem ab dem 17. Jahrhundert zu finden. In dieser Zeit wurden durch erbeutete Rohstoffe und die Versklavung von Menschen Strukturen geschaffen, die bis heute wirken und dem globalen Norden zu immer mehr Wohlstand verhelfen. Die Idee des Wachstums hat heute aber bereits, wie es bei der Ausstellung treffend heißt, „auch in unseren Köpfen Einzug gehalten“. Nicht nur Profite müssen ständig wachsen, auch Menschen im kapitalistischen System sehen sich gezwungen, sich ständig selbst zu optimieren, sei es auf persönlicher Ebene oder beruflich.

Alternativen müssen umfassend sein.
Oft wird als Lösung für die Probleme, die durch die Produktions-, Wirtschafts- und Konsumweise von Industriestaaten entstehen, die sogenannte grüne Wirtschaft beziehungsweise grünes Wachstum herangezogen. Der Wachstumsimperativ wird in diesem Modell nicht in Frage gestellt, der Ressourcenverbrauch und der Ausstoß von Abgasen soll aber reduziert werden. Was bei dieser Idee vergessen wird, ist, dass es zu einer „Auslagerung schmutziger und CO2-produzierender Industriezweige in den globalen Süden“ kommt, wie Besucher*innen bei der Ausstellung erfahren. Auch gebe es noch keine endgültige Idee, wie eine Gesellschaft ohne Wirtschaftswachstum funktionieren könne. Hierfür brauche es viele verschiedene Aspekte, die zusammenspielen.

Kritik alleine reicht nicht.
Kritik an Wirtschaftswachstum per se ist aber aus Sicht der Veranstalter*innen nicht ausreichend um ein gutes, solidarisches Leben für alle zu erreichen. „Ökologischer Realismus bedeutet nicht automatisch, dass man sich für progressive und humane Politik einsetzt“ erklärt Sven-David Pfau von „System Change, not Climate Change!“. Die Kunst sei es, über ganz viele Aspekte gleichzeitig zu sprechen. In der Debatte um Postwachstum, müssen auch existierende Machtverhältnisse und strukturelle Fragen berücksichtigt werden. Durch die Ausstellung sollen die unterschiedlichen Spielarten von Wachstumskritik und auch die blinden Flecken der einzelnen Ansätze aufgezeigt werden.

Analyse und Handlungsermächtigung.
Wichtig sei, so Pfau, dass Menschen ihre Position im kapitalistischen System erkennen und sehen, dass dieses nicht natürlich gegeben, sondern durch gesellschaftliche Strukturen entstanden ist und auch anderes sein könnte. „Für die Veränderung braucht es aber politische Einmischung“, gibt Pfau zu denken. Wie diese Einmischung aussieht, könne von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein und an individuelle Interessen angepasst werden. Außerdem solle man nicht auf Utopien vergessen: „Es braucht Utopien, die wirklich daran glauben, dass ein gutes Leben mit weniger möglich ist“, so Pfaus abschließende Worte. Kapitalismuskritik müsse bei Wachstumskritik immer mitgedacht werden. Ohne eine gewisse Form von Verzicht, könne das gute Leben für alle nicht verwirklicht werden.

Die Autorin ist Mitglied im Redaktionsteam des Paulo Freire Zentrum. Reaktionen bitte an redaktion@pfz.at

 


Weiterführende Links:

Endlich Wachstum! Die Website zur Ausstellung.

Fairbindung Kollektiv e.V.

System Change, not Climate Change!



Foto
© Valentina Duelli, Paulo Freire Zentrum

Veröffentlicht in Sozial-ökologische Transformationen.