Frieden in Kolumbien?

„Der Frieden ist lediglich zu einem Kampf- und Schlachtgebiet geworden.“ Mit dieser  Aussage prangerte Vera Grabe Loewenherz von der Organisation Observatorio para la Paz Bogotá den Missstand von staatlichen Finanzierungen für NGOs in Kolumbien an.

Frieden als pädagogisches Prinzip.

Im ersten Panel der 35. Sommerakademie des österreichischen Studienzentrums für Friedens- und Konfliktforschung zum Schwerpunktthema „Mit dem Rücken zur Wand. Kritisches Engagement in Zeiten von Shrinking Space“ sprach die Wissenschafterin Vera Grabe Loewenherz von der Organisation Observatorio para la Paz Bogotá zum Thema „Frieden in Kolumbien?“. Gleich zu Beginn ihres Vortrags stellte sie die kritische Frage, wie und ob aus Frieden eine Revolution beziehungsweise Transformation zu schaffen sei.  Loewenherz erklärte, dass der Begriff Frieden unterschiedliche Ideen und Begriffe beinhalte. Frieden sei ein Prozess. Er müsse in der  jeweiligen Situation von den zentralen AkteurInnen ausgearbeitet und begleitet werden und sei nie perfekt. „Wir (Observatorio para la Paz Bogotá) wollten einen möglichen Frieden ausarbeiten. (…) So kam uns  die unvollkommene Idee des Friedens zur Hilfe (…)“, verlautbarte Loewenherz in ihrem Vortrag. In Kolumbien konzentriere sich ihre Organisation auf Frieden im Sinne eines pädagogischen Prinzips: „Frieden ist  Mittel, Zweck und Ziel.“, erklärte Loewenherz. Aus diesem Ansatz einer Kultur des Friedens habe die Organisation Erziehungs- und Bildungsprogramme geschaffen und Methoden gegen Gewalt entwickelt.

Verengung zivilgesellschaftlicher Räume.

Aktuell haben in Kolumbien viele zivilgesellschaftliche Organisationen und NGOs mit Finanzierungsengpässen zu kämpfen. Um staatliche Förderungen erhalten zu können, müssen hohe Eigenmittel vorhanden sein. Zudem steige der bürokratische Aufwand für zivilgesellschaftliche AkteurInnen bei Projekteinreichungen. Loewenherz stellte die Frage in den Raum, welche staatlichen Absichten hinter den gegenwärtigen Fördermittelvergabekriterien stecken würden: Die Eindämmung von Korruption und Missbrauch, oder die Verengung zivilgesellschaftlicher Räume? In ihrer Antwort räumte Loewenherz ein, dass durch diese neuen bürokratischen Verfahren Korruption von staatlichen Fördergeldern nicht verhindert werden könnte, gleichzeitig aber das Arbeiten von engagierten NGOs eingeschränkt werde: „Man sagt bei uns: Es zahlen die Gerechten für die Sünder oder das Allheilmittel ist schlimmer als die Krankheit“, fügte Loewenherz hinzu.
Oft seien NGOs nur noch OperateurInnen von staatlichen Projekten, somit verenge der Staat den zivilgesellschaftlichen Raum. Denn es sei nicht mehr wichtig, ob eine NGO mit Konzeptionen arbeite, sondern wie sie sich präsentiere. Es zähle kein inhaltlicher Beitrag in Form von Know-how, Strategie oder langjähriger Arbeitserfahrung. Dieser Missstand werde in Kolumbien von zivilgesellschaftlichen VertreterInnen angeprangert und trage dazu bei, dass die von  Loewenherz beschriebene  Friedenskultur von der lokalen Bevölkerung nicht ernst genommen werde. Für viele sei nicht mehr klar, was Frieden überhaupt bedeute.

NGOs unter Druck.

Die Einschränkung von Handlungsspielräumen für zivilgesellschaftliches Engagement und die Arbeit von NGOs wird im entwicklungspolitischen Diskurs als shrinking space (zu deutsch: schrumpfender Raum) bezeichnet. „Der shrinking space beschreibt genau das, was wir (in Kolumbien) erleben und empfinden. (…) Man muss sehen, was man dagegen tut und wie man umdenkt“, lautet der Lösungsvorschlag von  Loewenherz, „denn NGOs haben in Kolumbien ein breites und vielfältiges Wirkungsfeld: Gesundheit, Wohnen, Ernährung, Beschäftigung, Erholung, Ökologie, Menschenrechte (…) und Frieden.“ Diese NGOs arbeiten unabhängig vom Staat und versuchen zur Lösung von gesellschaftlichen Problemen beizutragen. Jedoch hätten sie keine politische oder ökonomische Macht um die Probleme „an ihren Wurzeln anzupacken“, so Loewenherz. Die kolumbianische Verfassung aus dem Jahr 1991 erkennt den Beitrag der Zivilgesellschaft zur gesellschaftlichen Entwicklung zwar an und hält fest, sie in ihren Anliegen zu stärken beziehungsweise zu fördern. Jedoch handeln nicht alle Organisationen im Sinne des Gemeinwohls. Viele vor kurzem gegründete NGOs  seien für Steuerhinterziehung und korrupte Geschäfte bekannt. Daher gäbe es nun jährliche Steuerprüfungen für alle staatlich finanzierten Organisationen. „Verschiedene Studien haben gezeigt, dass NGOs fast genau so wenig Anerkennung genießen, wie politische Parteien in Kolumbien. Ich werde selbst oft gefragt, ob ich noch immer bei dieser NGO bin. Als ob es ein Mangel wäre.“, kommentierte die Vortragende. Diese abwertende Haltung gegenüber NGOs sei bedenklich hinsichtlich des fortlaufenden Friedens-Prozesses, der auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen mitgetragen und -gestaltet werde. Ob sich der shrinking space zukünftig unter dem im Mai 2018 gewählten Präsidenten Ivan Duque weiter verkleinern oder vergrößern wird, sei ungewiss.

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Weiterführende Links:

–  Observatorio para la Paz Bogotá

Website der 35. Sommerakademie des österreichischen Studienzentrums für Friedens- und Konfliktforschung


Veröffentlicht in Entwicklungspolitik.